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ABSTRAKTE KOMBINATORIK

Unsterblich, 1996, Stahl, Holz, Öl, ca. 1,6 x 0,6 m
Fenster mit Einsicht, 1996, Titan, Eisen, Wachskreide, 1,00 x 1,00 m
ohne Titel, 1995, Gasbeton, ca. 1,8 x 0,45 x 0,30 m

MONA ENZINGER

22.07.1997 Hans Peter Porzner Direktor MfMK

Dies ist eine Ausstellung des Museums für Moderne Kunst München in den Räumen der Galerie Plattform:Kunst. Gezeigt werden Bilder und Skulpturen von Mona Enzinger. Mona Enzingers Bilder sind im Horizont einer Reflexion des Verhältnisses zwischen Kunst und Alltag zu verstehen. Insofern muss sich auch eine gebrochene Ästhetik artikulieren. D. h. Mona Enzingers Bilder und Skulpturen arbeiten mit der Dialektik, die Künstler widerfahren, sofern sie die Gesetze des Kunstmarktes nicht beachten. In diesem Sinne sind ihre Bilder „voraus-denkend“.

Ganz konkret ist dies beispielsweise an ihren Kombinationsbildern abzulesen. In der Ausstellung ist eine eigentliche in sich abgeschlossene Reihe von Bildern zu sehen – aber die Bilder sind einzeln zu erwerben. Diese Bilder wiederholen in ihrem Zusammensein die Motivik eines ganz bestimmten Bildes: formenphilosophisch gewendet das Motiv – ein Bild. Mit dem Herausbrechen eines Bildes entsteht nicht ein Fragment, sondern die Reihe wird neu zusammengestellt, zusammengefügt. Um eine erneute stimmige Wahrnehmung zu bekommen, werden die Bilder auch auf den Kopf gestellt oder seitlich aufgehängt. Diesem „äußerem“ Prinzip entspricht gegenläufig ein „inneres“.

Die Bilder sind in bunten Farben angelegt. Farbschlieren überziehen das Bild – begrenzen es an bestimmten Stellen und öffnen es doch ins Unbegrenzte an anderen Stellen. Man spürt eine Kombination von europäischer Kompositionskunst und amerikanischem All-over und zweitens eine Kombination von gänzlich unterschiedlichen Künstlersprachen, über die Mona Enzinger unmittelbar verfügt. Manche Arbeiten zeichnen sich durch eine figurative schematische Gestensprache aus. Dicke schwarze Linien – auch farbige -, Zickzacklinien überziehen das Bild, formulieren einen Figurenkanon. Aber die Bilder werden selten so konkret, genauer: nur ganz bestimmte Bilder, nur ein ganz bestimmter

Kunststil ist so konkret, dass man sagen kann dies ist ein Gegenstand, dies ist eine Figur, dies sind Figuren im Gespräch.

Mona Enzingers Bilder arbeiten mit der Einbildungskraft des Betrachters. Der Betrachter und das Bild ergeben in diesem Sinne erst das fertige Bild. Ihre Bilder sind für den Betrachter der Anlass sein eigenes Bild zu erkennen. Sie eröffnen Projektionsflächen des Betrachters. Der bewusste Betrachter nimmt wahr, dass er mit seinem eigenem Bild konfrontiert wird. Es wird ihm durch die Bilder lediglich zu gespiegelt. Mona Enzingers Bilder sind in einem hohen Maße für den Betrachter in sich beweglich, deshalb nach 1990, wo eine Intensivierung der Vereinzelungsstruktur wahrzunehmen ist, eminent aufklärerisch. D.h. die Bilder spiegeln auf Grund ihrer Offenheit die jeweilige Verfassung des betrachtenden Subjektes. Erst das Gespräch macht diese Offenheit – die möglichen Vereinzelungen sichtbar und, dass es zu diesen Bildern keinen sensus communis unmittelbar geben kann. Erst wenn sich die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten in ihrer scheinbar totalen Differenz erkennen, stellt sich die Frage nach dem tertium comparations, nach dem Gemeinsamen der unterschiedlichen Wahrnehmungshorizonte, der unterschiedlichen Wahrnehmungsdispositionen. Mona Enzinger artikuliert genau diesen Sachverhalt durch die gelassene und zugleich souveräne Geste, ohne ihr Dazutun, ohne Einfluß zu nehmen ihre Bilder von anderen, in diesem Fall von mir, auswählen und hängen zu lassen. Ein anderer Ausstellungsmacher würde aus ihrem Bilderpool einer abstrakten Kombinatorik andere Bilder auswählen, die einen anderen gedanklichen Horizont entfalten. Diese Interpretation ist ein Ausschnitt der Interpretationsangebote, die dieser Bilderpool unmittelbar darstellt und ermöglicht. Dieser Bilderpool ist unmittelbar dieser Interpretation überlegen. Diese Ausstellung, diese Auswahl der Bilder ist insofern eine Begrenzung ihres Bilderpools. Imaginär löst sich diese Einseitigkeit der Auswahl der Bilder, diese Entscheidung durch andere Ausstellungen aber bereits jetzt auf.